Sonntag, 19. Januar 2014

(14) Das Informationszeitalter hat bei den Schwaben noch nicht begonnen.


    Das Informationszeitalter hat bei den Schwaben noch  nicht begonnen.

Statement zu Strategie und Taktik Nr. 14  Reinhart.vowinckel@web.de   19.01.2014

Wolfgang Sternstein meinte kürzlich, der Protest gegen S21 sei “zerrüttet“, ein Ausdruck aus dem Eherecht. Keine schlechte Charakterisierung, meine ich. Frage ist dann nur: Ist er schon hoffnungslos oder noch hoffnungsvoll zerrüttet. Anscheinend hat im Aktionsbündnis unter der Führung von Clarissa Seitz, ehemals Fraktionschefin der Grünen im Landtag, eine Mehrheit gefordert, die Zahlungen für die Organisation der Montagsdemos einzustellen, und das heißt in der Konsequenz wohl, die Montagsdemos einzustellen. Damit ist eine völlig neue Lage entstanden. Es geht nicht mehr nur darum, wo die Demos stattfinden, sondern ob sie weiter stattfinden sollen und können. Damit ist endlich die Frage auf dem Tisch, um die es offenbar eigentlich von Anfang an ging. Eine solche Maßnahme ginge zweifellos an die Substanz des Protestes. Aber es ist gut, dass sie gestellt ist und beantwortet werden muss.
Die Montagsdemos sind meiner Meinung nach der wirksamste Stachel im Fleisch jener undemokratischen „Eliten“, die uns das Projekt Stuttgart 21 beschert haben und sich nun nicht zur Tatsache einer historischen Fehlentscheidung bekennen wollen.
Wie dem Aktionsbündnis antworten? Keine Antwort ist meiner Ansicht nach die Parole der Jungendoffensive „Wir lassen uns nicht weiter spalten! Grüne raus aus dem Aktionsbündnis!“ Sie ist paradox und unrealistisch. Die Mehrheit im Aktionsbündnis ist offensichtlich grün. Da bedeutet diese Parole doch im Grunde: „Weg mit dem Aktionsbündnis!“ Und wenn etwas „spalterisch“ wäre, dann eine solche Aufforderung. „Weg mit dem Aktionsbündnis“ oder „Weg mit der Montagsdemo!“ - das wäre keine Alternative, sondern im Effekt dasselbe. Ich vermute mal, die Montagsdemo braucht das Geld des AB und das heißt der Grünen und der von Grünen gelenkten Nichtregierungsorganisationen im AB. ‚Weg mit den Grünen!’ heißt deswegen wohl auch ‚Weg mit der Montagsdemo!’ Da beißt wer sich selbst.
Das Hauptproblem unserer Protestbewegung sind meiner Ansicht nach nicht  divergierende Interessen, das Hauptproblem ist das tief eingefressene Misstrauen.
Keiner der Zirkel traut wirklich dem anderen, denn keiner weiß genug, was der andere macht und warum er was macht und anderes unterlässt. Wenn ich sage, Clarissa Seitz führt nur aus, was Kretschmann vorgegeben hat, der Protest soll endlich von der Straße, dann ist das letztlich immer noch eine bloße Vermutung, um nicht zu sagen Unterstellung. Der Zustand der Verdächtigung und des Misstrauens wirkt jedoch zersetzend. Da wäre eine offene und verbindliche Erklärung einer solchen Absicht und ihrer Gründe oder des Gegenteils besser. Dann wissen wir, wo wir dran sind, und können schauen, ob es noch Gemeinsamkeiten gibt. Ich würde es den Grünen nicht übel nehmen, wenn sie sagen dass sie den ihnen peinlichen Protest von der Straße haben wollen. Das wäre ihr gutes Recht. Ich will lediglich wissen, woran ich bin. Und ich bitte die Grünen, sich gründlich zu überlegen, ob sie wirklich den Totengräber der schwäbischen Montagsdemo geben wollen. Auch die Leipziger hatten mit ihren Montagsdemos ihre Probleme.
Das gegenseitige Misstrauen konnte sich m. E. nur so breit machen, weil bei uns die Kommunikation im Argen liegt. Hätte ich nicht die Stuttgarter Zeitung abonniert, würde ich vieles Wichtige gar nicht erfahren. So habe ich vor wenigen Tagen aus der StZ erfahren müssen, dass das Bundesverfassungsgericht die Annahme eines Antrags auf Eilentscheidung abgewiesen hat. Warum werden Antrag und Abweisung nicht sofort über alle Verteiler verbreitet und in geeigneter Weise zur Diskussion gestellt? Der Kern aller Demokratie sind Publizität, Informationsfreiheit und Transparenz der wichtigen Fakten, Prozesse und Entscheidungen, nicht aber erst die Mehrheitsentscheidungen. Eine solche Kommunikationsstruktur aufzubauen hilft mehr als autoritäre und selbstverliebte Abgrenzung.
Seine Ergebnisse könnten auch unsere Beziehungen zu den Medien festigen.

(13) Verteidigen wir das Demonstrationsrecht!


Verteidigen wir das Demonstrationsrecht!
Immer mehr Protestgruppen scheinen für die Annahme des Marktsplatzes an Stelle der Schillerstraße vor dem Bahnhof als regelmäßiger Ort der Montagsdemos zu sein. Vor ein paar Monaten am Beginn dieser Diskussion habe auch ich mich für den Marktplatz ausgesprochen. Eigentlich war mir das egal. Beide Orte haben etwas für und etwas gegen sich. Plakativ formuliert bedeutete der Bahnhof politisch auch das Provozieren der Spießer, das Rathaus jedoch deren Besänftigung, aber auch Anpassung an sie. Beides ist nicht mein Ding. Politische Verkehrsblockaden sind ein Akt sanfter Gewalt gegenüber „Unbeteiligten“, also sich unbeteiligt fühlenden Bürgern. Diese Form der sanften Gewalt ist zwar grundrechtlich geschützt und wird nicht als Nötigung sondern als hinzunehmende Belästigung behandelt.  Sie wird aber auch von vielen Bürgern, die nicht spießig sind, aus Unverständnis als Nötigung empfunden.
 Meine Position begann sich jedoch im Laufe der sich verschärfenden internen Debatte zu ändern. Ich begann zu spüren, dass mehr hinter der Debatte steckte. Für mich war schon immer klar: Ohne die Provokation unsere „Berufsdemonstranten“, Blockierer, Baumbesetzer, und Parkcamper wäre unser Protest letztlich zahnlos geblieben und hätte nie die Bedeutung erlangt, die er erlangt hat. Und von Anfang an haben sich an ihnen vor allem Spießer gerieben, auch die in den eigenen Reihen. „So etwas tut man nicht.“ „Die gehören nicht zu uns.“ „Die kleiden sich peinlich.“ usw. Aber vielleicht waren die von mir Spießer genannten auch die, die vor einer realen Gefahr warnten, nämlich der Gefahr, einem Privileg nicht mehr  durch eigene, aufklärerische Leistungen gerecht zu werden.
Meine Haltung in der Ortsfrage unserer Demos änderte sich jedoch grundlegend, als CDU-Ordnungsbürgermeister Schairer, gestützt auf eine von der CDU verlangte Recherche der Stadtverwaltung, für die Weihnachtszeit die bereits langfristig genehmigten Montagsdemos am Bahnhof verbieten wollte. Nun war endgültig klar, dass es hier nicht mehr um die Frage der Zweckmäßigkeit ging, die im Konsensverfahren zu klären wäre, sondern vor allem um Macht.
Bei Machtfragen geht es nicht um Zweckmäßigkeit, nicht um Recht und Wahrheit oder gar Moral, sondern um Mehrheiten, ob sie nun real oder nur vorgespiegelt sind. Kretschmann lässt grüßen. Bürgermeister Schairer setzt propagandistisch, aber auch nur propagandistisch  auf die Karte des Rechts. 1. Die Umsätze des Einzelhandels in der City sänken an Montagabenden. 2. Die Busse könnten an Montagabenden nicht fahrplanmäßig an- und abfahren.
Zu 1 ist zu sagen: Die  Umsätze von Montagabenden verlagern sich mit Sicherheit auf die restlichen Tage der Woche, denn gekauft und konsumiert wird so oder so. Dieser Einwand dürfte vor dem Demonstrationsrecht kaum Bestand haben. (Vergleiche meine gestern ins Netz gestellte Zusammenfassung eines entsprechenden Urteils des Bundesverfasssungsgerichts in Nr. 75, 79, 90. „Belästigungen“ sind in Kauf zu nehmen.) Anders dürfte es zunächst bei dem Thema Verbindungen des Öffentlichen Nahverkehrs sein. Betriebsabläufe genießen einen indirekt auf andere Grundrechte gestützten Schutz.) Da diese Störungen jedoch seit nunmehr vier  Jahren offensichtlich auch nach Auffassung der Stadtverwaltung hinzunehmen waren, bleibt als wahrer Kern dieses Arguments dann doch wieder nur die Verlagerung von Geschäftsumsätzen auf andere Tage. Dieser Umstand dürfte deswegen nach meiner Einschätzung ebenfalls vor dem Demonstrationsrecht keinen Bestand haben. Es geht der CDU also offensichtlich um einen Angriff auf das Demonstrationsrecht und damit auf unsere Bewegung, was wir ja verstehen können.
Damit erhält jedoch auch unsere persönliche Entscheidung pro oder contra Bahnhof eine ganz andere Bedeutung. Wir stehen vor der Entscheidung: Überlassen wir die Verteidigung des Bahnhofs als unseren aus propagandistischen Gründen bevorzugten Demoort und überlassen wir damit die Verteidigung bzw. Respektierung des Demonstrationsrechts der Stadtverwaltung bzw. dem Gericht und fügen wir uns damit dem Machtanspruch und dem mit ihm verbundenen Demokratieverständnis der CDU?
Oder nutzen wir die Gelegenheit, die uns CDU und Stadtverwaltung gerade bieten, die eigenen Reihen und die Stuttgarter Bürgerschaft über Inhalt, Zweck und Bedeutung des Demonstrationsrechts und des mit ihm verbundenen Rechts der Wahl des Kundgebungsortes aufzuklären? Mein Vorschlag wäre, eine der noch folgenden zwei vor Weihnachten stattfindenden Montagsdemos ganz ins Zeichen dieses Themas zu stellen. Das Demonstrationsrecht ist ein Recht für Minderheiten, die gemeinnützig Aufgaben und Verantwortung aller Bürger stellvertretend wahrnehmen, auf Missstände und Fehlentwicklungen aufmerksam machen oder doch wenigstens aufmerksam zu machen versuchen und deswegen, im Interesse auch der Mehrheit, ein Rechtsprivileg genießen, nämlich auch das Recht zu „stören“, wie Mandela und sein ANC das in Afrika getan haben.
Ich habe den Eindruck, dass hinter dem Rückzug unserer Gruppen auf den Marktplatz auch ein Mangel an Selbstbewusstsein steckt. Immer mehr meinen, unser Anliegen sei „in der Öffentlichkeit nicht kommunizierbar“, so wie die Bürokratie unter Oettinger von S21, allerdings zu recht, dachte. Aber: S21 war ja auch ein Betrug historischen Ausmaßes, ganz besonders der betrügerische Finanzierungsvertrag, den einer der Betrüger, nämlich die SPD nach wie vor schützt und den unser Protest bis heute ignorant vollkommen ungeschoren lässt. Und wenn jemand von seiner Sache nicht mehr wirklich überzeugt ist, dann hat er auch – moralisch gesehen - tatsächlich keinen Anspruch mehr auf Demonstrationsfreiheit oder ihr volles Ausmaß.
Welch ein Bedarf an selbstbewusster Aufklärung da tatsächlich besteht, demonstriert Holger Gayer in einem Kommentar der Stuttgarter Zeitung vom 04.12.2013. Er und mit ihm die gesamte Politikerkaste des Landes haben noch gar nicht verstanden oder wollen es nicht wahrhaben, worum es bei der Auseinandersetzung um den Ort der Anti-S21-Demonstrationen wirklich geht. Er meint, es gehe einerseits um die im Grundgesetz verankerte Versammlungsfreiheit, so weit gut und recht, aber
„Auf der anderen Seite wird es höchste Zeit, dass die Montagsdemonstranten akzeptieren, dass nicht nur die meisten Politiker in Stadt und Land Stuttgart 21 befürworten, sondern auch die Mehrheit der Bürger dafür gestimmt hat. Es ist daher ein legitimes Ansinnen der Majorität, die wöchentlichen Kundgebungen der Minorität an einen Ort zu verlegen, der weniger Verkehrsbehinderungen nach sich zieht.“
Gayer ist offensichtlich gar nicht bewusst, dass er und die angeführten Politiker mit ihrer Auffassung nicht „auf dem Boden des Grundgesetzes stehen“ und mit ihrer Propagierung eines angeblichen Mehrheitsrechts die Stadtverwaltung zum Rechtsbruch drängen. Mal abgesehen davon, dass die Mehrheit der abstimmungsberechtigten Bürger vor zwei Jahren nicht einmal zur Volksabstimmung hingegangen ist, mal abgesehen auch davon, dass die Mehrheit derer, die tatsächlich zur Abstimmung gegangen sind, mit einem Nein zum Gesetzesvorschlag einer Kündigung des Finanzierungsvertrags gestimmt haben und nicht mit einem Ja zum Projekt, mal ganz abgesehen auch von vielen anderen ähnlichen Details wie z. B., dass, wer will, auch montagabends in die Innenstadt gelangt, ohne am Bahnhof vorbei zu fahren, abgesehen von all dem gilt vor allem eines:
Auch keine Volksabstimmung kann irgendein Grundrecht außer kraft setzen!!!  Und schon gar nicht das der Freiheit der Meinung und ihres Ausdrucks. Auch Völker können irren, und das Volk der Schwaben tuts gerade gewaltig. Jedenfalls bei S21. Die Bürger, die Montagabend für Montagabend mit dem Finger auf ein gigantisches Betrugsprojekt zeigen, gehen nichts anderem als einer ehrenamtlichen und gemeinnützigen Tätigkeit nach.
Und für die Aufklärung über diese Tatsachen wäre der Demonstrationsort vor oder auch in dem Bahnhof geeignet wie kein anderer. Und das Recht dazu haben wir – prinzipiell.