Sonntag, 24. Februar 2013

(5-Anhang) Die vier für die Finanzierung wichtigen Verträge


Die vier für die Finanzierung wichtigen Verträge -  Anhang zur Lage und Taktik 5 – Reinhart Vowinckel
Erstens die „Rahmenvereinbarung“ vom  07.11.1995, unterzeichnet von den „Projektpartnern“, der Bahn und dem Bund, vertreten durch Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU - heute Chef-Lobbyist der Automobilindustrie). Auf sie beruft sich Nils Schmid, wenn er die Erlaubnis zum Fällen von Bäumen erteilt. Denn dort heißt es in § 5: Alle Beteiligten verpflichten sich, das Projekt zu fördern und alle Verfahrensschritte   soweit als möglich und vertretbar zu verkürzen, damit der Zeitplan eingehalten werden kann.“ Interessant ist auch die Bestimmung in § 3 (2): „Die Deutsche Bahn AG ist für die Einhaltung dieser Gesamtkosten verantwortlich.“ Das heißt, dass hier noch die Verantwortung der Bahn für die Einhaltung der Gesamtkosten von 4,893 Mrd. DM zuständig ist.
Diese Rahmenvereinbarung enthält einen weiteren bemerkenswerten Satz (§ 6): „Alle Beteiligten sind sich darüber einig, daß für das Gesamtprojekt  eine Finanzierungsvereinbarung  nach Abschluß des Planfeststellungsverfahrens zu treffen ist.“ Bis heute, fast  vier Jahre nach dem Abschluss der Finanzierungsvereinbarung, sind jedoch erst 29 von 51 erforderlichen Planfeststellungsverfahren in trockenen Tüchern, und wie schnell solche Tücher auch wieder nass werden können, sehen wir z. B. am   Grundwassermanagement.
Zweitens das „Memorandum of Understanding“ vom 19.07.2007, unterzeichnet von den „Projektpartnern“, der Bahn und dem Bund, seinerzeit vertreten durch Bundesverkehrsminister Tiefensee (SPD). In diesem Memorandum tauchen zum ersten Mal die Vereinbarungen auf, die für die Struktur des Finanzierungsvertrags prägend werden sollten. Unter III. Abs.1 heißt es: „Für die Deutsche Bahn AG, die DB Netz AG, die DB Station&Service AG und die DB Energie GmbH (gemeinsam „DB“) und für den Bund als Alleingesellschafter der Deutschen Bahn AG  ist es im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens von besonderem Interesse, dass für die DB aus der Realisierung des Gesamtvolumens keine unkalkulierbaren  Risiken entstehen und dass die Wirtschaftlichkeit dargestellt ist.“  Das heißt, die Unterzeichner sind sich darin einige, dass für die Bahn und auch den Bund kein Risiko entstehen darf. (Diesen Hinweis auf die Interessen des Bundes gibt es bereits im dritten genannten Vertrag (Realisierungsvereinbarung) nicht mehr!) Für die Vertragspartner Land, Stadt und Region jedoch gibt es keinen derartigen Risikoschutz. Unter III. Abs. 5 des Memorandums heißt es dann weiter: „Bei darüber noch hinausgehenden  Kostensteigerungen werden DB AG und Land Gespräche aufnehmen. DB, Land, Stadt und Region vereinbaren darüber hinaus einen gemeinsamen Lenkungskreis zur Kostenauditierung und zur Mehrkostenbegrenzung.“ Hier taucht also neben dem Risikoschutz für Bund und Bahn zum ersten Mal auch die Sprechklausel auf. Beides zeigt, dass die Bundesregierung verantwortlich ist für den durch die  Sprechklausel nur verklausulierten Erpressungsmechanismus.
Drittens die „Realisierungsvereinbarung“ vom 02.04.2009, die ebenfalls noch mit offizieller Beteiligung des Bundes abgeschlossen wurde. Dort heißt es unter § 5Abs. 10:
„Die Bereitstellung der weiteren Finanzierungsmittel sowie die Finanzierung ggf. entstehender Mehrkosten werden in einer gesonderten Vereinbarung (zwischen dem Land, der Stadt, der Region, dem Flughafen, der DB AG sowie den EIU) geregelt… Für eventuelle Kostensteigerungen, die durch die o. g. Finanzierungsbeiträge nicht gedeckt sind, haben die EIU, das Land, die Stadt und der Flughafen eine Risikovorsorge getroffen. Danach werden Kostensteigerungen wie folgt übernommen …Bei einer darüber hinausgehenden Kostensteigerung nehmen EIU und Land Gespräche auf.“ Stadt und Region kommen hier nicht vor.
In § 2 (2) der Realisierungsvereinbarung heißt es: „Bei Widersprüchen (zwischen den grundlegenden Vereinbarung) gelten die zuletzt genannten Vereinbarungen  vorrangig vor den in der weiteren Vergangenheit liegenden.“
Viertens den Finanzierungsvertrag. Um ihn  zu versehen, gibt es vier wichtige Passagen:
1.              Der Risikoausschluss für die Bahn: „Für die DB AG und die EIU ist es im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens von besonderem Interesse, dass für die DB AG und die EIU  aus der Realisierung des Gesamtprojektes keine unkalkulierbaren Risiken entstehen und dass die Wirtschaftlichkeit dargestellt ist.“ [ § 2 (2) Abs. 1]
2.              Das Kündigungsverbot:„Eine ordentliche Kündigung dieses Vertrages ist ausgeschlossen.“ [§ 15,1]
3.             Der Ausschluss der Möglichkeit eines „qualifizierten Abschlusses“: „Für den Fall, dass nach Abschluss der Entwurfsplanung, spätestens jedoch bis zum 31.12.2009, eine Erhöhung der für das Projekt aufzuwendenden Gesamtkosten zu erwarten ist …, werden die Vertragspartner Verhandlungen aufnehmen. Kann danach die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.“ [§ 2 (2) Abs. 2] Das heißt, die Möglichkeit des vorzeitigen Endes  wird bereits hier ausdrücklich auf die Zeit bis zum 31.12.2009 beschränkt. Um alle Zweifel zu beseitigen, heißt es dann in § 8(4): Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU und das Land Gespräche auf. § 2 Abs. 2 findet in sofern keine Beachtung.
4.             Die Sprechklausel: Wie schon beim Ausschluss der Möglichkeit des „qualifizierten Abschlusses“ sowohl in § 2 wie in § 8 zitiert: Immer dann, wenn es um die Finanzierung nicht vertraglich fixierter weiterer Kosten geht, sind Gespräche zwischen Land und Bahn aufzunehmen.  Was passieren soll, wenn man sich dort nicht auf eine Übernahme der Kosten einigt, steht in den Sternen. Eine CDU/FDP-Regierung hätte das natürlich gewusst. 

(5) Ob das jetzt 10 oder 15 Milliarden kostet, kann Baden-Württemberg wurscht sein


Peter Hauk, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion: “Ob das jetzt 10 oder 15 Milliarden kostet, kann Baden-Württemberg wurscht sein. … Die neueste Kalkulation lautet sieben Milliarden. Das müssen Sie nicht akzeptieren, aber das ist so. …   So Hauk  im Herbst 2010 im badischen Hirschberg! http://www.hirschbergblog.de/2010/10/25/cdu-spitzenpolitiker-peter-hauk-ob-das-10-oder-15-milliarden-kostet-kann-baden-wurttemberg-wurscht-sein/
Zitat aus der Plenardebatte vom 6. Oktober 2010, CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Hauk: “Weil es so ist, müssen wir an diesem Projekt festhalten. Wir müssen es sogar tun, wenn es schlecht wäre.” Oder FDP-Stadtrat Michael Conz: “Ich würde Stuttgart 21 sogar bauen, wenn es eine Billion Euro kosten würde!”   
 Reinhart.Vowinckel@web.de  Zur Lage und Taktik 5   http://vowinckel.blogspot.com
21.02.2013
Wenn man das wieder einmal liest – das Internet vergisst nichts! -  und   von der Versuchung zur Diagnose „überkandidelte Provinzpolitiker“ absieht, kommen  einem ernste Fragen:
1. Woher hatte der Hauk schon damals die Kostensummen von 7 Mrd. Euro, nur 200 Millionen über der zurzeit gehandelten Zahl, und von 15 Milliarden?
2. Wieso können Baden-Württemberg die Kosten  „wurscht sein“?
3. Wem wollte er die 15 Milliarden nehmen?  Meint er, wir holen uns das Geld nur vom eh ärgerlichen Länderfinanzausgleich zurück und kannibalisieren halt mal sozialstaats- und verfassungswidrig anderen zustehende Mittel?
Am erstaunlichsten finde ich in jedem Fall, dass Hauk scheinbar meinte, nicht das Land müsse  für die erwarteten  Mehrkosten zahlen. Hat seine Parteiführung und Landesregierung Leute wie ihn über das Kostenrisiko getäuscht oder zumindest im Unklaren gelassen, wie Mappus das ja offensichtlich beim EnBW-Deal auch getan hat (s. Streit zwischen Mappus und Hauk)? Oder täuschte Hauk  hier unverfroren die versammelten „Gäste“ aus dem kleinstädtischen Rentnersegment seiner Partei? Ganz nebenbei stellt sich auch die Frage, was wäre peinlicher, wenn er „nur“ seine Anhänger oder sogar sich selbst so getäuscht hätte? Was wir mit unseren Provinzpolitikern bisher so erleben durften, ist schon ziemlich gespenstisch.
Auch OB Professor Dr. Schuster reiht sich nahtlos ein in diese Gespenstergalerie. Am 24.07.2009 behauptete er gegenüber dem Gemeinderat, der einen besseren Risikoschutz gegenüber möglichen Kostensteigerungen verlangte, „die Deutsche Bahn trage als Bauherrin das Risiko der Mehrkosten“. (Zitiert aus einem 8 Seiten umfassenden Papier der Juristen zu S21) Wie konnte Schuster so etwas behaupten? Der Finanzierungsvertrag war schon fast vier Monate alt.
Wie die CDU-Führung das Land, so hat Schuster  die Gemeinde damals  auf zumindest grob fahrlässige, wenn nicht mutwillige Weise in eine juristisch äußerst nachteilige Position gebracht,  ohne je dafür zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Kannten Hauk und Schuster etwa den Finanzierungsvertrag gar nicht oder hatten sie ihn nicht verstanden? (Schuster war sogar vom damaligen Innenministerium auf den „tragischen Irrtum“, wie die Juristen zu S21sich ausdrückten, aufmerksam gemacht worden.)
Deshalb halte ich es für sehr wichtig, dass wir uns in unserer Bewegung sowohl nach innen miteinander wie auch, und das vor allem,  nach außen gegenüber der Öffentlichkeit endlich einmal  gründlich mit dem Finanzierungsvertrag auseinandersetzen. Seine Hauptaufgabe ist es, einen Projektabbruch unmöglich zu machen und damit aus dem Schwabenprojekt die sprichwörtliche Eier legende Wollmilchsau zu kreieren. Der Vertrag ist ein Erpressungsmechanismus, und verantwortlich für ihn ist letztlich nicht die Deutsche Bahn AG, sondern die Regierung Merkel. Ihr fehlt etwas zum angeben wie seinerzeit die inzwischen entschwebte Magnetschwebebahn.
Ehrbare Kaufleute
Es gibt meines Wissens vier  maßgebliche vertragliche Vereinbarungen zu S21 (die man jedoch nicht unbedingt alle kennen muss. Deswegen habe ich sie auch nur in einem eigenen Anhang etwas ausführlicher dargestellt.)
1.die „Rahmenvereinbarung“ vom 07.11.1995 zwischen Bahn und Projektpartnern wie Land, Stadt usw. und dem Bund,
2. das „Memorandum of Understanding“ (MoU)  vom 19.07.2007 zwischen den gleichen Vertragspartnern, also auch dem Bund,
3. die „Realisierungsvereinbarung“ vom 02.04.2009 zwischen den gleichen Vertragspartnern, also auch dem Bund sowie  
4. den Finanzierungsvertrag vom gleichen  Datum (02.04.2009) zwischen Bahn und Projektpartnern, aber ohne Bund.
Drei der vier Vereinbarungen wurden auch von der Bundesregierung unterzeichnet, nur der Finanzierungsvertrag nicht. Trotzdem behaupteten vor kurzem Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) und Mitglieder der CDU/CSU-Fraktion im Verkehrsausschuss des Bundestages, für S21 sei nur die Bahn zuständig, nicht aber der Bund. So viel zum (offiziellen) Kenntnisstand der letztlich für S21 maßgeblich Verantwortlichen von CDU und CSU beim Bund. Auch hier stellt sich die Frage, wissen sie es wirklich nicht besser oder tun sie nur so? Zuzutrauen ist ihnen beides. Die Bundesregierung möchte sich offensichtlich aus ihrer Verantwortung stehlen.
Das zeigen auch zwei kurze Blicke auf Aspekte der ersten drei Vereinbarungen. In der Rahmenvereinbarung vom 07.11.1995 hatte es in § 3 Abs. 1 noch geheißen: „Die Gesamtkosten des Projekts sind mit 4, 893 Mrd. DM veranschlagt…(DeMark!, nicht Euro!) Die  Deutsche Bahn AG ist für die Einhaltung dieser Gesamtkosten …verantwortlich.“  So ist es eigentlich auch unter ehrlichen Kaufleuten üblich. Von dieser Verantwortung wollen Bahn und Bund jedoch spätestens seit dem Memorandum of Understanding (MoU)  vom 19.07.2007 nichts mehr wissen, denn dort heißt es in Abschnitt III.: „Für die Deutsche Bahn AG …und den Bund  als Alleingesellschafter der Deutschen Bahn AG ist es im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens von besonderem Interesse, dass für die DB aus der Realisierung des Gesamtvorhabens keine unkalkulierbaren Risiken entstehen und dass die Wirtschaftlichkeit dargestellt ist.“ Also keinerlei  Kostenrisiko für die Bahn (und damit auch für den Bund!) Aber hier wird immerhin der Bund noch als Interessierter erwähnt. Im Finanzierungsvertrag (§ 2 (2) ist der Bund dann ganz verschwunden und gewissermaßen zum „stillen Teilhaber“ geworden.
Und noch ein zweiter Blick über den Tellerrand des Finanzierungsvertrags hinaus ist zweckmäßig.
In § 6 der „Rahmenvereinbarung“ von 1995 hatte es noch geheißen: „Alle Beteiligten sind sich darüber einig, daß für das Gesamtprojekt eine Finanzierungsvereinbarung nach Abschluß des Planfeststellungsverfahrens zu treffen ist.“
Das wäre ein seriöses Verfahren gewesen. Hätte man sich an diese kaufmännisch ehrliche Vereinbarung gehalten, gäbe es den Finanzierungsvertrag noch heute nicht. Denn heute, fast vier Jahre nach Abschluss der Finanzierungsvereinbarung am 02.04.2009 ist noch nicht einmal die Hälfte der  erforderlichen Planfeststellungsverfahren in trockenen Tüchern. Ohne Planfeststellung ist aber auch eine realistische „vertiefte“ Planung der Kosten nicht möglich. Deswegen ist die Bahn auch nicht unwillig, sondern schlicht unfähig, die von Hermann und Kretschmann immer wieder angeforderten Informationen über Kostenrisiken zu liefern. Und das erklärt auch die Kette von „Kostenexplosionen“. (Wie jetzt vom TV-Magazin Monitor aufgedeckt wurde, beruhten bahninterne Kostenschätzungen in Höhe von 4,9 Mrd. Euro im März 2009, die auch dem Aufsichtsrat und dem Bund zur Zeit der Unterschriften unter den Finanzierungsvertrag vorlagen,  nicht etwa auf „vertieften Planungen“, sondern auf „groben Schätzungen“, also Pi mal Daumen! Mit dem Geschäftsgebaren eines „ehrbaren Kaufmanns“ (so Grube über sich selbst) hat das jedenfalls nichts zu tun.)
Der Finanzierungsvertrag - Erpressung und ihre Verschleierung

In seinem Kern ist der Finanzierungsvertrag eine raffinierte Konstruktion der Regierung Merkel/Schäuble zur Erpressung schwäbischer öffentlicher Hände durch die Deutsche Bahn AG und zur Täuschung der Öffentlichkeit über diesen Erpressungsvorgang.  Seine Konstruktion stützt sich auf vier Säulen:
  1. das Herzstück des Vertrags, den Ausschluss jeden Kostenrisikos für die DB AG und das heißt letzten Endes für den Bund.  In  § 2 (2) heißt es dazu einleitend:  Für die DB AG und die EIU ist es im Hinblick auf die Zukunft des Unternehmens von besonderem Interesse, dass für die DB AG und die EIU  aus der Realisierung des Gesamtprojektes keine unkalkulierbaren Risiken entstehen und dass die Wirtschaftlichkeit dargestellt ist.“ Also Kostenrisiken tragen ausschließlich die Projektpartner (Land, Stadt usw.) und nicht etwa auch die Bahn. Für die öffentlichen Hände gibt es keinerlei Risikoabsicherung. Und der Bund, der hinter allem steckt, kommt nicht mehr vor.
  2. den Ausschluss eines Rechts auf  ordentliche Kündigung (§ 15): „Eine ordentliche Kündigung dieses Vertrages ist ausgeschlossen.“, der übrigens im Widerspruch auch zu den Vorspiegelungen solcher Rechte durch die Landesregierung bei der Volksabstimmung steht.
  3. den Ausschluss eines Projektabbruchs („qualifizierter Abschluss“) bei Finanzierungsproblemen. (§ 2,2 und § 8,4): In § 2, Abs. 2 des Finanzierungsvertrags heißt es weiter: „Für den Fall, dass nach Abschluss der Entwurfsplanung, spätestens jedoch bis zum 31.12.2009, eine Erhöhung der für das Projekt aufzuwendenden Gesamtkosten zu erwarten ist, welche zusätzlich die unter nachfolgendem § 8  Abs. 3 vereinbarten Beiträge übersteigt, werden die Vertragspartner Verhandlungen aufnehmen. Kann danach die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.“ Das heißt, für die neun Monate ab Vertragsunterzeichnung (02.04.2009) bis zum Jahresende gab es bei Kostensteigerungen noch die Möglichkeit, das Projekt zu stoppen und abzuwickeln, danach nicht mehr. In § 8 (4) heißt es zur Bestätigung: „Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) und das Land (Von der Stadt oder der Region ist hier gleich gar nicht die Rede!) Gespräche auf („Sprechklausel“). § 2 Abs. 2 (Möglichkeit des „qualifizierten Abschlusses) findet insofern kein Beachtung.“
  4. die Sprechklausel. Dass ab 01.01.2010 Schluss mit lustig war, wurde also in § 8 (4) noch einmal unmissverständlich klargestellt: „§ 2 Abs. 2 (qualifizierter Abschluss) findet in soweit keine Beachtung.“ Stattdessen die Sprechklausel  Im Falle weiterer Kostensteigerungen nehmen die EIU (Eisenbahninfrastrukturunternehmen) und das Land Gespräche auf.“ Ein „qualifizierter Abschluss wird also ausgeschlossen. Es gibt seit dem Jahr 2010 nur noch die Sprechklausel.
Wir dürfen wohl getrost davon ausgehen, dass diejenigen, die sich diesen Vertrag im Jahr 2009 als gentlemens agreement augenzwinkernd vom Bund haben aufschwatzen lassen, also die Vertreter von CDU, FDP und auch der SPD in Stadt und Land, nicht erpresst zu werden brauchten, weil sie freiwillig auch 15 Milliarden (s. Hauk, CDU) oder auch eine Billion Euro (s. Stadtrat Conz FDP) zu zahlen bereit waren. Als hätten sie unter Drogen gestanden oder Tantiemen.  Durch unsere Aufklärungsarbeit, den durch die Wahlen von den Wahlbürgern herbeigeführten Regierungswechsel und auch durch die trotz Sprechklausel auch ohne unser Zutun inzwischen bekannt gewordenen Skandale hat sich das Blatt jedoch gewendet. Nun droht sämtlichen Parteien im Landtag, auch den Grünen, dass der Betrugscharakter des Vertrages, an dessen Entstehung oder Realisierung sie beteiligt sind, ruchbar wird. Die neuesten Enthüllungen durch das ARD-Magazin Monitor, das aufdeckte, bereits die Kostenangaben im Finanzierungsvertrag  waren mit Wissen des Aufsichtsrates und der Bundesregierung getürkt, bestätigen die Analyse des Vertrags: Es ging auch den verantwortlichen Politikern um Täuschung und Betrug. 
Oettinger und vermutlich Leute wie Hauk und Strobel , Schuster, Gemeinderat und Regionalverband haben also mit Rückendeckung der Abgeordneten und Stadtverordneten der hinter ihnen stehenden Parteien der Bahn eine Art Blankoscheck ausgestellt. Dessen Einlösung kann durch einen Baustopp oder die Drohung mit ihm dann jederzeit erpresst werden.
Die finanzielle Beteiligung von Stadt, Region und Land an einer Aufgabe des Bundes begann einmal als Bestechung des Bundes durch Land und Stadt mit dem Ziel, auf Kosten anderer Bundesländer, Regionen und Städte Investitionskapital des Bundes ins Land und eine der ohnehin bereits wirtschaftlich stärksten Regionen der Bundesrepublik zu locken. Das Projekt stand ursprünglich nicht einmal auf dem Bedarfsplan des Bundesverkehrsministeriums.   Es wurde erst durch Geschenke von Stadt und Land auf ihn gehievt.  Solche Bestechung verstößt aber gegen das sozialstaatliche, verfassungsrechtliche Verbot der Mischfinanzierung. Das Projekt war also von Anfang an auf Korruption gegründet. 
Durch den Finanzierungsvertrag wurde aus der ursprünglichen Bestechung des Bundes durch die Regierung Oettinger sowie die Landtagsfraktionen von CDU, FDP und SPD wie Strobel, Hauk, Schmid, Schmiedel usw. sowie die entsprechenden Gemeinderatsfraktionen und den OB die Erpressung der Bürger und insbesondere der grünen Fraktionen in Landtag und Gemeinderat, die sich an den erpresserischen Vertrag gebunden sehen. Mich würde insbesondere einmal interessieren, welche Rolle dabei Herr Schmiedel gespielt hat, für den ja „Gottes Segen“  auf S21 und damit ja wohl auch auf dem Finanzierungsvertrag ruht.  
Schlussfolgerungen
1. Die Regierung will keine Ausstiegsdebatte. Das heißt, sie will den Finanzierungsvertrag „erfüllen“, auch wenn uns das nicht gefällt. Unter Erfüllung des Vertrags versteht die Landesregierung (zumindest der grüne Teil)  jedoch etwas anderes als die Befürworter. Sie versteht darunter Kostenbegleichung bis maximal zu der vertraglich vereinbarten Höhe, soweit die vertraglich vereinbarten Leistungen der Bahn vorliegen. Das heißt in der Konsequenz, die sogenannten „Ausstiegskosten“ würden für das Land nicht über der vereinbarten Milliarde und für die Stadt nicht über der vereinbarten halben Milliarde (worst case) liegen, ob gebaut wird oder nicht. 
2. Diesen „Ausstiegskosten“ (für Land und Stadt) würde jedoch keineswegs „nichts“ gegenüberstehen, wie Geißler so demagogisch wie dümmlich droht, sondern ein funktionstüchtiger, flexibler und in überschaubaren Etappen ausbaufähiger Kopfbahnhof, der auf jeden Fall mehr wert ist als 1,5 Mrd. Sagen wir, er ist 4 Mrd. Euro wert. Und einmal ganz zu schweigen von den gesparten 15 Milliarden.
3. Unser wichtigster Schutz vor dem  Finanzierungsvertrag ist zur Zeit der Kostendeckel der Landesregierung. Er wirkt wie ein Knüppel im Räderwerk des Erpressungsmechanismus. Dieser Schutz ist jedoch politisch nicht gesichert, weil die SPD ihn immer noch gern los wäre. Will sie noch? Was muss noch geschehen, auch von unserer Seite,  dass sie nicht mehr will???
4. Vertragserfüllung bei Kostendeckel durch Land und Stadt macht den Vertrag für die Bahn uninteressant und das Projekt zu einer gewaltigen Fehlkalkulation. Sie kann gar nicht anders als aussteigen, früher oder später. Da wird auch die Kraftmeierei in Berlin nichts ändern. Schließlich erfüllt das Land den Vertrag, die Bahn kann ihn  jedoch nicht erfüllen, trotz aller Kraftmeierei.
5. Wir haben zwei Trumpfkarten für unsere Propaganda, zum einen die manifeste Überforderung der Bahn bei Planung und Kostenbegrenzung, zum anderen die Machenschaften,   das Projekt trotzdem durchzudrücken.                                                                                 

Sonntag, 3. Februar 2013

(4) Zur Lage und Taktik


Reinhart.Vowinckel@wb.de  Zur Lage und Taktik 4                                            03.02.2013
http://vowinckel.blogspot.com

Zum Umgang mit der Volksabstimmung und dem Finanzierungsvertrag

Holger Gayer wirft in der Stuttgarter Zeitung die Frage auf: „Gilt die Volksabstimmung noch?“ Meine Antwort ist einfach. Sie hat noch nie gegolten. Jedenfalls nicht im Sinne des Rechts, und das heißt nicht für uns alle. Um das zu wissen, braucht man nur die betreffende Aussage der Landesabstimmungsleiterin Friedrich bei Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses aufmerksam zur Kenntnis zu nehmen, man muss dazu nicht einmal Jura studiert haben:
 Nachdem die Gesetzesvorlage die nach der Landesverfassung erforderliche Stimmenmehrheit nicht erreicht hat, hat sich insoweit auch keine Änderung der Rechtslage ergeben.“ 
Da ist allerdings nicht nur  unsere Landesregierung anderer Meinung, die meines Wissens das Märchen von der „Geltung“ der VA in die Welt gesetzt hat,  sondern auch unsere Staatsanwaltschaft.  Von Redakteuren auf seinen harten Umgang mit Projektgegnern und einen vergleichsweise zarten Umgang mit Polizisten angesprochen, erklärte Oberstaatsanwalt Häußler laut Stuttgarter Nachrichten vom 18.12.2012: „Mit der Volksabstimmung ist für uns eine Änderung eingetreten. Das Volk hat entschieden, das Projekt war legitimiert. Die folgenden Blockaden betrachten wir daher als Verhinderungsblockaden.“ Damit  spricht er nicht nur für sich, sondern für das Kollegium der Staatsanwaltschaft („wir“). So werden ihre Grundrechte in Anspruch nehmende Projektgegner mit Rechtsbeugungen effektiver bekämpft. Geht doch! Und der Ministerpräsident (Grüne) wie der Justizminister (SPD) lassen grüßen. Das Märchen von der Gültigkeit der VA wirkte wie Gehirnwäsche, eine Zeit lang auch auf die Protestbewegung.

Nachdem am 12,12.12 um Zwölf vor Zwölf ein gewisser Herr Kefer für sein  Märchen vom  Tiefbahnhof für nix“ keine Zuhörer mehr fand; hielten vier Heilige der Protestbewegung für den Kopfbahnhof auch ihre Stunde für gekommen und verkündeten am dritten Weihnachtstag in einem Offenen Brief ihren Weihnachtswunsch:
Grüne Spitzenpolitiker müssen und können  jetzt S 21 stoppen!“. Diese Forderung fußt jedoch auf falschen Annahmen. Die Spitzenpolitiker der Protestbewegung schreiben in ihrer Begründung: „Die Grundlagen für die Volksabstimmung wurden einseitig verletzt – sie sind nicht mehr gegeben. Es gilt, was die Landesregierung in der Begründung ihres Gesetzestextes ‚über die Ausübung von Kündigungsrechten (…) bei Stuttgart 21’ schrieb: „Bei Kostensteigerungen, die nicht ‚in vollem Umfang von der Deutschen Bahn AG finanziert’ werden, sei dem Land ‚ein Festhalten an dem (S21) Vertrag nicht zumutbar und ein Kündigungsrecht nach § 60 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz (IVwVfG) gegeben.“
Diese  Schlussfolgerung aus Kefers (noch vorläufigem) Offenbarungseid ist voreilig.

  1. Ohne die SPD können die Grünen in der Regierung gar nichts, die Grünen außerhalb jedoch viel.
  2. Das Land sollte der Bahn nicht vorgreifen. Das würde uns viel Geld kosten.
  3. Die „Grundlagen für die VA“, z. B. der von der Koalition als Ergänzung zum Vertrag verkündete Kostendeckel, spielen wie das Ergebnis der VA lediglich ein politische, eine propagandistische, nicht aber auch eine rechtliche Rolle (s. o. ).
  4. Die Berufung auf den genannten § 60 IVwVfG greift nicht. Bisher wurde nicht festgestellt, dass die Bahn Mehrkosten nicht zahlt oder eine Durchführung des Projekts aus einem anderen Grund  nicht zumutbar ist. Also mehr Geduld!

Da kann ich sogar den Ministerpräsidenten ein Stück weit verstehen. Ein ehemaliger Richter mit Namen Dieter Reicherter  weist ihn auf die Ungültigkeit der VA hin, während ihn andere Projektgegner auf die VA festgenageln wollen. Da kann man schon genervt sein. So stöhnte er gequält in einer Offenen Antwort an Walter Sittler als einen der vier Unterzeichner des zitierten Offenen Briefes:
Ich warne sogar davor, die Volksabstimmung erneut in Frage zu stellen…An dieses Votum ist die Landesregierung auch weiterhin gebunden, zwar nicht formal-juristisch, aber doch politisch.
Damit hat er auch die von Holger Gayer gestellte Frage, ob die VA noch gilt, beantwortet. Seine Antwort lautet: „Jein!“
Kretschmann versucht, die Protestbewegung in seinen Betrug hineinzuziehen oder sagen wir verbindlicher „einzubeziehen“, Betrug an wem auch immer. Also Vorsicht! Nicht nur wegen Häußler und Kollegen. Es handelt sich bei Kretschmanns angeblicher Verpflichtung nicht um eine Verpflichtung durch das Volk, sondern allenfalls um eine „Selbstverpflichtung“ der Regierung, und das auch noch pro Stuttgart 21! Und auch der Kostendeckel ist lediglich eine Absichtserklärung und kein verbindlicher Landtagsbeschluss oder Beschluss einer Volksabstimmung. Das gleiche Verpflichtungsspiel hätte Kretschmann am liebsten auch mit dem Filderdialüg getrieben. Da galt für ihn plötzlich für einen Moment auch kein Kostendeckel mehr, bis Winfried Hermann dem netten Onkel in die Parade fuhr.

Da stellen sich uns eher zwei weitere Fragen: Warum hält Kretschmann, der doch eigentlich ein Projektkritiker ist,  am  Märchen einer zusätzlichen Legitimation des Projekts durch die VA fest? Und warum meint er anscheinend, auch die Protestbewegung müsse daran ein Interesse haben?
Die Lösung des Widerspruchs liegt wohl in folgenden Umständen: Zum einen können die Grünen aus dem S21- ICE  nicht aussteigen, solange die SPD vor dem Ausstieg steht.
Noch wichtiger aber ist: Sowohl die SPD als auch die heutige Opposition von CDU und FDP waren vor und nach der VA als Befürworter des Projekts beeindruckt vom neuen Ministerpräsidenten. Obwohl ein Projektgegner,  bekannte der sich mit der ganzen ihm verliehenen Autorität „unmissverständlich“ zur „Verbindlichkeit“ der Mehrheitsentscheidung der VA pro S21. Was wollten sie mehr? Was konnten sie besser? Da schluckten sie in der Hoffnung auf die Beendigung der Proteste auch den Kostendeckel, an den sich alle beteiligten parlamentarischen Gremien, sogar der Gemeinderat,  seither halten. Dabei haben sie jedoch wohl unterschätzt, wie teuer der Kostendeckel noch einmal werden könnte, dass er nämlich auch den Finanzierungsvertrag und damit die rechtliche Grundlage des Projekts kosten könnte.  Die  Beibehaltung des im Grunde finanzierungsvertragswidrigen Kostendeckels würde das Projekt S21 für die kaufmännisch kalkulierende Bahn sinnlos werden lassen.
Damit ist aber auch die zweite neu entstandene Frage beantwortet, welches Interesse wir in den Augen Kretschmanns an der Legende von der Gültigkeit der VA haben.In seinem Offenen Brief an Sittler deutet er es an.
Wenn ihr die Volksabstimmung pro S21 in Frage stellt, stellt ihr auch die Selbstbindung der Befürworter (SPD, CDU, FDP) an den Kostendeckel in Frage. Er ist aber unser einziges Instrument, S21 doch noch zu Fall zu bringen, wenn nicht höhere politische Mächte in Berlin das noch verhindern.  Ihr eröffnet ihnen mit Eurer Aufforderung zum womöglich rechtswidrigen Ausstieg nur die Möglichkeit, aus ihrer aus Angst vor der VA geschluckten Verpflichtung zur Kostendeckelung auszusteigen.
Anders vermag ich die „väterliche“ Warnung Kretschmanns nicht zu verstehen, mit der er wohl die auch Führung der Protestbewegung zurückzuholen trachtet,

Was Kretschmann richtig sagt: Vertraglich kann die Bahn die Übernahme aller Planungskosten verlangen (Sprechklausel), denn ihr Job sind Planung und Beaufsichtigung der Ausführung des Projekts.  Oder sie kann,  wenn sich kein Finanzier für gestiegene Kosten findet, als Alternative auch den Weiterbau einfach stoppen und zuwarten, mit der Folge, dass „Bauruinen“ so lange herumstehen, bis die Projektpartner die weiteren Kosten in letztlich unbegrenzter Höhe „freiwillig“  berappen. Die „Partner“ der Bahn und das heißt die „Öffentlichen Hände“  sind also durch diesen Vertrag erpressbar. Der Finanzierungsvertrag ist in der Hand der Bahn ein Schraubstock, in den sie die öffentlichen Hände spannen kann.

Und das ist sie auch in der Hand von Befürwortern in der Regierung, was Kretschmann aber nicht öffentlich sagen kann. Und hier beginnt der Job der Protestbewegung.   Um diese Aufgabenteilung richtig zu verstehen, hilft  ein Blick in die Geschichte des Vertrages. Geplant war die Sprechklausel des Vertrags zumindest von der CDU-FDP-Landesregierung unter Oettinger und Mappus (damals Staatssekretär im Verkehrsministerium) sicherlich nicht als Instrument der Erpressung, sondern als Instrument der Verschleierung. Sie war ja bereit, für die Kosten, egal in welcher Höhe, aufzukommen und musste und konnte so auch  nicht erpresst werden. Die Regierung Oettinger/Mappus wollte vielmehr zweierlei. Einerseits wollte sie verhindern, dass die Bürger mitbekamen, was S21 wirklich kosten könnte und würde. Zum anderen wollte sie eine juristische Verpflichtung zur Kostendeckung haben, auf die sie sich jederzeit berufen konnte, wenn es wieder einmal „klemmen“ würde. Auf die Idee, dass die Regierung  vom Volk ausgewechselt werden könnte und die neue Regierung den Vertrag mit der Sprechklausel als Schraubstock erleben könnte, kam wohl damals noch niemand. 
Inzwischen ist also der Finanzierungsvertrag  objektiv zu einem Instrument der Erpressung und zwar der Grünen in der Regierung geworden.
Ich vermute jedoch mal, dass weder die Bahn noch CDU, FDP  und SPD öffentlich die Verantwortung für ein Instrument der  Erpressung des Landes oder auch der Stadt übernehmen wollen und können, zumal Wahlen anstehen. Also: Befreien wir das Land vom Finanzierungsvertrag!